TOTAL VON DER ROLLE
Viele Radler weichen im Winter auf das Rollentraining aus und sparen sich rutschige Straßen, Wind, Regen und Schnee. Nun aber ist der Winter vorbei und wir kommen trotzdem mit diesem Thema an? Ja, denn fürs aktuelle Magazin lieferte uns Trainingswissenschaftler Stephan Nüsser ein paar gute Gründe, warum das Training im Wohnzimmer nicht nur im Winter eine gute Sache sein kann. SPOKE Chefredakteur Martin´s Handverletzung tat ihr Übriges…Parallel zur Story im Heft hat er sich darum die BKOOL Trainingsrolle „Smart Go“ geschnappt und sie zusammen mit der BKOOL Simulator Software genaustens ausprobiert.
Kaufen und aufbauen
BKOOL ist eine spanische Firma mit Sitz in Madrid und aus Spanien erfolgt auch der Direktvertrieb der Trainingsrollen. Bestellt wird online im eigenen Shop unter bkool.com. Der Shop ist übersichtlich aufgebaut, bietet die wichtigsten Infos und eine einfache Verkaufsabwicklung. Einmal bestellt, ist die neue Rolle zwar nicht so schnell im eigenen Wohnzimmer, wie bei einem rein innerdeutschen Paketversand, dennoch klingelt nach wenigen Tagen der freundliche Paketmann und liefert das rund 10 kg schwere, erfreulich kompakte Paket ab.
Sofort erfolgt der Aufbau. Wobei dieser im Grunde nur daraus besteht, die einzelnen Teile auszupacken. Denn die eigentliche Rolle besteht nur aus dem Standfuß und der Magnetbremse, beides ist schon miteinander verbunden, man muss nur noch die Montagearme ausklappen, in die im nächsten Schritt der Hinterbau eingeklemmt wird. Bevor das geschehen kann, muss man allerdings den original Schnellspanner gegen einen speziellen von BKOOL austauschen, damit die Klemmung optimal und sicher erfolgt. Alles weitere ist schnell erledigt. Kurz noch den Standblock unters Vorderrad, damit das Rad waagerecht steht und schon ist die Hardware montiert. Im letzten Schritt wird das Ganze nur noch mittels Anschluss an das Stromnetz „scharf“ gemacht. Bis hierher ist das eine Sache weniger Minuten. Der große Vorteil dieser Rollenbauweise: man kann – abgesehen vom Schnellspanner – das eigene Rennrad unverändert nutzen und super schnell in die Rolle einspannen. Die Rolle selbst ist kompakt zusammenklappbar, wiegt unter 10 kg und ist somit bestens geeignet, um sie z.b. mit auf ein Rennen oder in den Urlaub zu nehmen.
Facts
Mit 399 Euro ist der BKOOL „Smart Go“ recht günstig. Was bekommt man dafür? Sicher nicht dasselbe, wie bei teils 4-fach teureren Profigeräten mit großem Schwungrad und Direktmontage des Hinterbaus am Rollentrainer a la Wahoo „KickR“ oder Tacx „Neo“. Aber wie schlägt er sich im Vergleich zu Geräten ähnlicher Machart? Der „Smart Go“ produziert einen Widerstand bis zu 800 Watt mittels Magnetbremse, was normalerweise den meisten Fahrern absolut genügen sollte. Er wiegt knapp unter 10 kg und produziert eine Geräuschkulisse von rund 75 Dezibel. Die Kommunikation zu anderen Geräten wird mittels ANT+ oder Bluetooth Smart aufgebaut. Vergleichbare Geräte wären z.b. der „Kickr Snap“ von Wahoo oder der „Vortex Smart“ von Tacx. Beide Geräte bieten etwas mehr Widerstand, vor allem der Wahoo Trainer ist aber auch deutlich teurer und schwerer. Für den BKOOL spricht auf dem Papier sein geringes Gewicht, der vergleichsweise niedrige Preis und die Tatsache, dass BKOOL seine eigene, interaktive Simulationssoftware mit riesigem Datenpool anbietet. Der Versand ist zudem kostenlos und 3 Monate Premium-Mitgliedschaft sind inklusive.
Der Simulator
Das Spannende an modernen Rollen ist nicht die Rolle an sich, die gibt es schließlich schon lange. Richtig interessant wird es, wenn man diese Technik mit einer Simulationssoftware verknüpft. Mit dem „Simulator“ hat BKOOL seine eigene am Start. Doch bis man die nutzen kann, vergeht noch eine Weile.
Zunächst einmal muss man sich auf der BKOOL Webpage einen Account anlegen, was erstmal kostenlos ist. Im nächsten Schritt muss die Software heruntergeladen und installiert werden. Positiv ist zu erwähnen, dass diese Software sowohl für Windows Rechner, als auch für Mac zur Verfügung steht. Schon bei der Installation fällt allerdings eine kleine Schwachstelle der BKOOL-Technik auf: die Software wirkt irgendwie altbacken und ist in der Bedienung etwas umständlich. Am meisten nervt, dass man nicht aus der Vollbildschirm-Ansicht herauskommt, ohne im Menü die Einstellung „Vollbildschirm-Ansicht“ zu deaktivieren. Insgesamt könnte diese Software gern etwas intuitiver sein. Bevor die Software zum Tragen kommt, muss man so oder so erstmal im BKOOL Portal stöbern und sich eine Route heraussuchen, die dem gewünschten Trainingsprofil entspricht. Dabei wird schnell klar: ohne Premium Account läuft nicht viel außer ein paar kurze Demo-Routen. Hier haben die Rollenhersteller (und App Anbieter) allesamt Lunte gerochen und ein neues Geschäftsfeld erschlossen: den Verkauf von Premium-Abos, die erst die gesamte Bandbreite der Simulations-Software eröffnen. Damit steht BKOOL absolut nicht allein da. Für faire 9,99 Euro im Monat kann man alle Funktionen nutzen. Dieses Abo lässt sich jederzeit kündigen, so dass man z.b. für 30 Euro für die drei Wintermonate recht günstig wegkommt. Beim Kauf der Rolle sind diese 3 Monate sogar schon inklusive. Dafür kann man dann alle Funktionen nutzen: man kann sämtliche Routen und Workouts nutzen, sich live mit anderen Nutzern messen und alle gefahrenen Routen archivieren. Man kann sogar eigene Workouts generieren oder Videos mit GPS-Daten kombinieren und so z.b. die Hausrunde daheim im eigenen Wohnzimmer absolvieren.
Leider gibt es keine APP für´s I-Phone (wohl aber, zumindest laut BKOOL Webpage für Android, was ich aber nicht testen konnte). Ich bin also auf ein I-Pad oder einen Desktop-Computer bzw. ein Notebook angewiesen, um den Simulator zu nutzen. Immerhin funktioniert das „Koppeln“ von Rolle, Herzfrequenzgurt und TV-Bildschirm relativ unkompliziert, so dass es, wenn man einmal das Vorgehen verstanden hat, schnell losgehen kann. Übrigens: Ob mit Mac, Windows, Basis- oder Premiumaccount: ohne Internetzugang läuft rein gar nichts, denn zur Steuerung der Rolle muss man das Online Portal nutzen.
Also:
- Online im BKOOL Portal Route aussuchen oder Workout erstellen
- Route als „geplant“ abspeichern
- Desktop App öffnen und die geplante Route laden
- Desktop mit Rolle, evtl. Herzfrequenzgurt und TV koppeln
- los geht´s!
Das erste Training
Jedes Training beginnt mit 10 Minuten Warmup. Hört man dabei auf zu treten, beginnt die Route, die man sich zuvor ausgesucht hat, sofort. Eine schöne Funktion, denn oft genug beinhaltet die Route ja bereits ein Aufwärmprogramm. Nun geht es los. Standardmäßig sind Trainingspartner oder Gegner aktiviert, die man aber auch ausschalten kann. Macht man das nicht, lernt man schnell eine unterhaltsame Funktion des Simulators kennen: man kann überholen aber auch überholt werden. Der Rollentrainer simuliert sogar den Windschatteneffekt, so dass man deutlich an Kraft spart, wenn man sich in den Windschatten des Vordermannes saugt. Man könnte sich nun noch online mit seinen BKOOL-nutzenden Freunden verabreden und gemeinsam „auf Tour“ gehen, das habe ich jedoch nicht ausprobiert, weil mir das insgesamt zu weit geht. Wenn ich mit meinen Freunden Radfahren will, treffe ich mich draußen mit ihnen.
Solange die Strecke gemäßigt ist, funktioniert alles bestens. Das Fahrgefühl ist natürlich nicht genau so, wie in der Realität, immerhin wird aber die Steigung der Strecke gut simuliert und auf Wunsch kann man sogar einen Gegenwind-Effekt zuschalten. Bei mir bekannten Strecken hatte ich den Eindruck, dass die Belastung etwas höher ausfällt, als in der Realität. Die Geräuschkulisse ist absolut moderat, so dass man seinen Nachbarn nicht auf die Nerven geht und auf Wunsch auch das TV Programm mit leicht erhöhter Lautstärke noch verstehen kann. Ist die Familie zugegen, wird es dennoch nicht lange dauern, bis man in den Keller verbannt wird. Wird es richtig steil oder geht man im Sprintmodus aus dem Sattel, dreht das Hinterrad aber durch, was ein konstruktionsbedingtes Problem ist: der Druck (und somit die Haftung des Reifens) auf die Rolle wird einzig durch das Gewicht von Fahrer und Bike erzeugt. Geht man aus dem Sattel, verlagert man Gewicht nach vorn und in Kombination mit viel Druck auf die Pedale dreht schonmal das Hinterrad durch. 800 Watt sind zudem nicht zu viel, wenn man mal wirklich Gas geben will aber ich muss ehrlich zugeben, dass das bei mir so gut wie nie zum Tragen kommt. Aber es soll ja Fahrer geben, die mehr Power auf die Pedale bringen. Steht man im Rad, wird die ganze Sache zusätzlich etwas „kippelig“: trotz ausgefahrener Standbeine wackelt die Rolle spürbar, was sicherlich auch an meiner etwas weichen Unterlage liegt: sie steht auf einem dicken Teppich und einer Sportmatte – ein fester Boden wäre sicherlich besser geeignet.
Nichts desto trotz macht die erste „Ausfahrt“ Spaß und motiviert dazu, an den kommenden Abenden weitere Funktionen auszuprobieren.
Die Modi
Für´s nächste Training ist es an der Zeit, vorher mal die verschiedenen Trainingsmodi anzuschauen. Derer besitzt BKOOL so einige:
Man kann dreidimensionale Routen fahren, die BKOOL aus eigenen GPS-Daten oder denen von Usern generiert und somit ein recht realistisches Abbild der Route erzeugt. Wem das nicht reicht, der kann Routen mit echten Videos auswählen. Oder man entscheidet sich zu einem unterhaltsamen Training auf der Radbahn. Neben diesen Standardoptionen kann man selber Workouts erstellen. Anhand der zuvor eingegebenen Trainingsbereiche (die man alternativ mittels BKOOL eigenem FTP-Test ermitteln kann), kann man so z.b. schnell ein Sprint-Intervall-Training erstellen, in dem sich Grundlagenausdauer-Einheiten mit kurzen Sprint-Intervallen im Entwicklungsbereich abwechseln. Etwas mehr Mühe erfordert das Erstellen eigener Videos: fährt man z.b. die Hausrunde mit der GoPro ab, kann man diese mittels entsprechender BKOOL Software mit den GPS Daten zusammenführen, auf den BKOOL Server hochladen und (vorausgesetzt die Qualität stimmt und BKOOL gibt die Route frei) so die Hausrunde im eigenen Wohnzimmer nachfahren. Das ist ziemlich cool, allerdings auch recht aufwändig. Außerdem ist auch hier wieder zu bemängeln, dass die „Video Editionssoftware“ ziemlich altbacken daher kommt. Ansonsten aber eine echt coole Option. Noch cooler wäre es, wenn das Ganze „offline“ möglich wäre, denn das ganze Hoch- und Runterladen kostet Zeit und Nerven…
Konnektivität
Lässt sich die Software nur mit BKOOL Rollen nutzen? Und wie sieht es mit der Verbindung zu anderen Portalen, wie z.b. Strava aus?
Die Simulationssoftware ist offen für andere Rollen. Der Wahoo „KickR“ verbindet sich z.b. ohne Murren mit dem Simulator, so dass sich ein Abo auch für Nicht-BKOOL-Rollen-Nutzer anbietet, immerhin bietet BKOOL ja eine riesige Datenbank spannender Trainingsrouten und vielen weiteren Funktionen an. Nicht ganz so einfach gestaltet sich die Verbindung zu Strava & Co: zwar lassen sich die Trainingsdaten einfach bei Facebook und Google teilen und als Tracks in den gängigen Formaten exportieren, nicht jedoch automatisch in anderen Portalen hochladen. Das ist ziemlich aufwändig und entsprechend nervig. Selbst erstellte Workouts (zur Zeit noch Beta) haben noch gar keine Exportmöglichkeit. Wie für die Software im allgemeinen hat BKOOL auch in diesem Punkt Aufholbedarf.
Fazit
BKOOL bietet mit seiner „Smart Go“ Rolle eine günstige, leichte und kompakte Trainingsrolle an, deren Hardware durchaus überzeugen kann, wenn man mit den Bauartbedingten Einschränkungen kein Problem hat. In diesem Punkte also, sowie in Sachen Online-Bestellung und Kundenservice kann ich die „Smart Go“ absolut empfehlen, die Bezeichnung „gut und günstig“ hat sie sich absolut verdient. Die generelle Schwachstelle bei BKOOL ist die Benutzersoftware: sie kommt altbacken daher und ist umständlich in der Handhabung. Die Funktionen sind durchaus gut, super vielseitig und bieten spannende Möglichkeiten. Die Erstellung eigener Workouts beispielsweise ist prinzipiell echt klasse, genau so wie das Hochladen eigener Videos. Nur die Benutzeroberfläche und Menüführung bedürfen eines Updates, um die Software richtig genießen zu können. Eine App fürs Iphone, die das Vorhandensein eines Computers erübrigt, steht außerdem auf meiner Wunschliste.
Alle Infos zum „Smart Go“ gibt´s hier: http://www.bkool.com/de-DE/rollentrainer/bkool-smart-go
Warum das Rollentraining auch ohne schlechtes Wetter und Verletzung sogar im Sommer Sinn machen kann, dazu haben wir uns für die neue SPOKE Ausgabe (Heft 02/2017), die ab Mittwoch, 5. April im Handel ist, mit Trainingswissenschaftler Stephan Nüsser unterhalten, der interessante Ansätze dazu liefert.
Ähnliche Artikel
Probefahrt: Giant „TCX Advanced SX“
Passend zur neuen Ausgabe des SPOKE Magazin liefern wir euch hier die ...
03
Dec
2016
Probefahrt: Canyons „Endurace CF SLX 9.0 Di2“ im neuen Magazin
Canyons Endurace war für die Produktion der neuen SPOKE Ausgabe sozusagen das ...
04
Oct
2016
Ausprobiert: Produkte im neuen SPOKE Mag
Probieren geht bekanntlich über studieren... deshalb haben wir uns auch wieder ...
14
Jun
2016
Bombtrack Arise - ausprobiert von SPOKE
Viel Offroadspaß für wenig Geld – das Ganze in einem optisch sehr ...
26
Jan
2016
Neue Reifen von VEE Tire Co.
Wir haben uns die neuen Reifen der Thailänder von VEE Tire Co. angeschaut
01
Oct
2015
Brooks Testfahrer gesucht
Sattel Spezialist BROOKS sucht Testfahrer für ihren neuen Cambium C13
13
Aug
2015
BKool Trainingsrolle - Aufbau
Spoke Redakteur Martin macht aus der Not eine Tugend: da er sich die Mittelhand ...
22
Feb
2015