CONTINENTAL ÜBER ROAD TUBELESS
Tubeless ist in aller Munde. Kaum ein Reifen, kaum eine Felge, die nicht mit dem Prädikat “Tubeless-ready” und den damit einhergehenden Versprechen angepriesen wird. Eine auffällige Ausnahme bildet hier die Firma Continental, in deren Portfolio man Tubeless-fähige Straßenreifen bisher vergeblich sucht. Warum das so ist und was Conti über die Vor- und Nachteile von Tubeless-Systemen auf der Straße denkt, haben wir Benjamin Blaurock, Produktmanager bei Continental, gefragt.
Während "die Konkurrenz" stellenweise voll und ganz auf Tubeless-Reifen setzt, zeigt sich Continental hier zumindest im Bereich Road/Cross eher zurückhaltend. Warum?
Wir sehen das Thema Tubeless definitiv auch im Straßenbereich kommen und arbeiten auch an einer Lösung. Aktuell bieten wir aber noch nichts an und das liegt vor allem an Problemen mit der Reifen/Felgen-Kombinationen. Es gibt ja eine ETRTO- und eine ISO-Norm für die Reifengrößen. Die Kombination der verschiedenen Reifen- und Felgenherstellern ist allerdings schwierig umzusetzen, weil die Toleranzen innerhalb dieser Normen nicht eng genug gefasst sind. Das macht es schwierig, einen Reifen zu definieren, der den Sicherheitsstandards hinsichtlich des Platzdruckes entspricht und gleichzeitig leicht zu montieren ist. Wir sind Teil einer Kommission in der versucht wird, mit den Felgenherstellern einen Standard zu definieren, ähnlich wie das jetzt Mavic für sich selber gemacht hat. Im klassischen Straßenbereich ist es aber auch so, dass unsere allermeisten Kunden den Reifen fahren, bis er abgefahren ist und den Reifen samt Schlauch wechseln. Unser GP 4000s II zum Beispiel ist extrem pannensicher und hat, außer einem gelegentlichen Nachpumpen, eigentlich keinen Wartungsaufwand. In einem Tubeless-System muss man permanent die Milch kontrollieren, um den Pannenschutz zu gewährleisten und zudem wesentlich öfter nach pumpen, was es relativ aufwändig in der Wartung macht.
Wo seht ihr die Vorteile von Tubeless-Systemen?
Der Vorteil ist natürlich ganz klar der Schutz vor Durchschlägen, was aber nur bei ganz schlechten Straßenbedingungen relevant ist. Wichtiger wird das im Gravel- und Crossbereich. Ein Tubeless-System bringt in den aktuell verfügbaren Varianten weder beim Rollwiderstand noch vom Gewicht signifikante Vorteile. Tubeless-Reifen sind an sich schwerer, dann kommt noch die MIlch hinzu und auch die Felgen sind am Felgenhorn etwas versteift. Im Gesamtsystem kommt man so etwa auf das gleiche Gewicht [wie bei einer herkömmlichen Reifen/Schlauch-Kombination]. Es gibt einige Ausnahmen, aber die gehen immer auf Kosten des Pannenschutzes. Der einzige wesentliche Vorteil von Tubeless ist, dass Tubeless-Reifen sehr unempfindlich gegen kleine Durchstiche sind, denn die kann die Milch abdichten. Aus unserer Sicht ist das aber auch eher im Cross oder auf dem Mountainbike relevant. Auf der Straße haben wir es ja eher mit Steinen oder Scherben zu tun, wo auch die Milch nicht mehr hilft.
“Ein Tubeless-System bringt auf der Straße in den aktuell verfügbaren Varianten weder beim Rollwiderstand noch vom Gewicht signifikante Vorteile”
Wo ist der Unterschied zum Mountain Bike? Warum funktionieren die Reifen/Felgen-Kombinationen da problemlos?
Auf dem Mountainbike ist das System schon wesentlich weiter und länger etabliert. Die Hersteller haben sich sehr gut aufeinander abgestimmt. Außerdem ist der Reifendruck wesentlich niedriger. Auf dem Rennrad, bei einem Druck von 6 oder 7 Bar, kann einem der Reifen leichter über die Felge springen. Man muss da immer abwägen. Entweder man macht den Kern sehr eng, dann lässt sich der Reifen zwar schwer montieren aber er sitzt so stramm, dass er sich mit einer Standpumpe gut aufpumpen lässt. Oder man richtet sich mit dem Kern an der oberen Toleranzgrenze aus, dann lässt er sich leicht montieren aber ist ohne Kompressor nicht mehr aufzupumpen und man bekommt Sicherheitsprobleme, denn es muss gewährleistet sein, dass der Reifen nicht von der Felge platzt. Wir testen diese Reifen immer mit dem Doppelten des angegebenen Drucks, bevor er die technische Freigabe bekommt.
Es wird oft von einem Reibungswiderstand zwischen Schlauch und Reifen gesprochen. Was hat es damit auf sich und wie bedeutend ist der?
Theoretisch gibt es diesen Widerstand. Allerdings haben Tubeless-Reifen im Reifen eine zusätzliche Dichtschicht integriert, die theoretisch auch reibt. Unsere Reifen mit Schlauch sind auf einem ähnlichen Level im Rollwiderstand wie die Tubeless-Konkurrenz. Wir sehen zwar, dass unsere derzeitigen [Tubeless]-Prototypen tatsächlich noch ein Stück schneller sind als die Serienreifen, aber ob das jetzt am Tubeless-System oder an der veränderten Gummimischung liegt, gilt es erst noch heraus zu finden. Das ist also alles sehr theoretisch. Ja, es fehlt der Schlauch, aber auf der anderen Seite steht halt die besagte Dichtschicht und die Milch, die die Schwungmasse des Reifens auch erhöht.
Was können wir in Zukunft von Continental auf diesem Gebiet erwarten?
Wir möchten gerne eine Lösung definieren, die sowohl von der Montage als auch von der Dichtigkeit sehr gut funktioniert, so dass der Kunde da zumindest mal keine Nachteile hat. Gleichzeitig möchten wir gerne einen Performance-Vorteil bieten, aber das ist recht schwierig zu realisieren.
Der Standard ist uns sehr wichtig, besonders im Hinblick auf die Sicherheit. Es soll dem Kunden möglichst einfach gemacht werden, den Reifen zu montieren. Das ist unser klares Entwicklungsziel. Tubeless hat Vorteile, kann man nicht von der Hand weisen. Es gibt aber auch Nachteile und da liegt es am Kunden zu entscheiden, wo die Prioritäten sind.
Vielen Dank für das Gespräch.
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