DAS SYNDIKAT
Wir fuhren nach Köln, um dort Rad zu fahren, die Stadt kennenzulernen und im Biergarten zu entspannen. Unser Tag sollte anders verlaufen. Wir trafen das Bike Syndicat, Bikeshop und Kurierdienst und erlebten mit ihm einen Köln-Tag der anderen Art...
Als ich das kleine Ladenlokal mitten in Köln in einer engen Seitenstraße betrat, verspürte ich diese Mischung aus Gemütlichkeit gepaart mit einem Hauch von Seriösität. Wie man sich eben so einen kleinen, aber feinen Radladen vorstellt. Ein paar Rennräder, ein altes Mountainbike im Kundenauftrag zu verkaufen, schöne, teils gebrauchte Rahmen und jede Menge Parts, die auf Fensterbank und Regalen um die Gunst der Kunden buhlten. Dennis nahm uns in Empfang, wir wurden erwartet: „Guckt euch einfach schonmal um, Jan ist noch nicht da. Und sagt mir bescheid, wenn ihr irgendwas braucht.“
Alles klar, dachte ich mir und steuerte direkt auf die Werkstatt zu. Sie war nicht wirklich groß, aber ziemlich gut eingerichtet. Offenbar machen die Jungs das hier nicht erst seit zwei Jahren! Eine gute Gelegenheit, die Karren aus dem Auto zu holen und schonmal aufzubauen. Später wollten wir (Mein Kollege „Emo“ und ich) nämlich mit den Jungs vom Shop eine kleine Tour fahren, ein bisschen Köln per Rad erkunden, vielleicht einen netten Biergarten finden und zum Schluss noch ein kleines Polomatch anschauen. Ein schöner Samstag mit einem guten Plan. Wie gute Pläne es aber so an sich haben, funktionieren sie nicht immer genau so, wie man es sich vorgenommen hat. Konkret gab es zwei kleinere Problemchen: Erstens schauerte es draußen teils heftig und wir hatten natürlich keine Regenklamotten mit. Zweitens war unser „Date“ immer noch verschollen...
Eine Tür am Ende der Werkstatt lud zum weiteren Erforschen der Räumlichkeiten ein. Ein kleiner Gang führte auf einen Flur, der den Blick in einen geräumigen Büroraum mit Rechnern und großen Stadtplänen freigab. Je weiter man diesem Flur folgte, desto abgerockter wurde das Interieur. Der nächste Raum hätte auch das Wohnzimmer einer hart gechillten Hippiekommune sein können, in der es keinen Putzplan gibt und in der man mit „Rauchen“ keine Zigaretten meint. Überall Kisten, ein Ghettoblaster, mit Postern zugetaggete Wände und jede Menge Details, wie dieses Brötchen, in dem ein Stift steckte mit einem Zettel dran, auf dem Stand: „Vorsicht, Kunst“! Die darauf folgende Küche jedenfalls musste schon lange nicht mehr ihrer ursprünglichen Bestimmung dienen, sondern gab ein prall gefülltes Leergutlager her, garniert mit Geschirr, das gerade kurz davor war, dem „Wunder Leben“ ein Denkmal zu setzen. Ich ging zurück und versuchte von Dennis zu erfahren, was hier vor sich ging. Ich gebe zu, ich hatte mich zuvor nicht en Detail über das Bike Syndikat informiert...
Zurück im seriösen Teil des Gebäudes klärte mich Dennis ein bisschen auf. Eigentlich geht es hier nämlich nicht hauptsächlich um den Laden. Den gibt es immerhin seit 5 Jahren, doch die Geschichte des Syndikat reicht weiter zurück, genauer bis ins Jahr 1998. Da beschloss eine Gruppe unabhängiger Bike Kuriere, sich unter diesem Namen zusammenzuschließen und sozusagen mit vereinten Kräften zu agieren. Der Büroraum ist die Logistikzentrale, das Hippiezimmer der Pausenraum. Und die Küche... naja, zur Zeit ist sie eben Leergutlager. Mit der Zeit richtete man eine Werkstatt ein, schließlich geht eine Menge kaputt an den Kurierbikes. Das Ersatzteillager wuchs ebenso und irgendwann entstand daraus die Idee, dem Kurierdienst einen Shop anzugliedern, da ohnehin alles Wichtige dafür vorhanden war. Wir hingen noch ein bisschen ab und Dennis erzählte uns von seiner zweiten Leidenschaft, ebenfalls auf zwei Rädern. Wenn er nicht urban unterwegs ist, geht er mit seinem Downhillbike im Wald heizen. Hauptsache Fahrradfahren und Action!
„Die Werkstatt war nicht wirklich groß, aber ziemlich gut eingerichtet. Offenbar machen die Jungs das hier nicht erst seit zwei Jahren!"
Etwa zwei Stunden später betrat Jan den Laden und grüßte mit verrauchter Stimme meinen Kollegen Emo, da die beiden sich bereits kannten. Es war wohl ein bisschen später geworden, eher aufstehen war aus rein körperlicher Sicht nicht drin. Schnell noch eine Kippe geraucht und dann hätte es losgehen können. Allerdings kündete ein dumpfes Grollen den nächsten Schauer an und wir beschlossen, diesen noch abzuwarten. Zeit genug, nochmal eine kleine Führung von Jan durch die Räumlichkeiten zu bekommen. Da Jan eher einer der Älteren hier ist, lag die Vermutung nahe, dass er so eine Art Chef-Rolle einnimmt. Macht er aber nicht. Hier gibt es keinen Chef, alle sind gleichberechtigt und irgendwie macht jeder alles. Vom Kurierfahren über Distribution bis hin zu Werkstatt und Laden - das ist sehr praktisch, da auf diese Weise jeder mal einspringen kann, wenn z.B. jemand krank wird. Jan drehte sich noch eine und wir gingen in die Distributions Zentrale. Der Bildschirmschoner erklärte eindrucksvoll, wie man eine Eule zeichnet: Man malt zwei Kreise und dann den verdammten Rest der Eule drumherum! Alles klar, so schnell geht das. Aber Schnelligkeit ist ja beim Kurierfahren eh wichtig. Deshalb verzichtet man beim Syndikat auch auf Unterschriften beim Kunden: „Wir sind so gut, wir brauchen keine Empfangsquittung. Und wenn ein Kunde unbedingt eine Unterschrift geben will, kostet das extra!“ - „Die anderen Kurierdienste schleichen doch eh nur mit irgendwelchen Anhängern durch die Gegend“. Ganz ohne Organisation geht es aber auch beim Syndikat nicht. Es gibt „Vollversammlungen“, bei denen dann wichtige Entscheidungen gemeinsam getroffen werden. „Wir haben auch schon beschlossen, dass während der Arbeit nicht geraucht und getrunken wird. Nach zwei Tagen war aber wieder alles, wie immer.“
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